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Karlheinz Stockhausen | Gérard Grisey | John Cage
The Composer Karlheinz Stockhausen
Das Universum, der Kosmos, die Sterne und Planeten – die Musik Karlheinz Stockhausens ist essenziell geprägt von Motiven des Weltalls: metaphorisch, metaphysisch und konkret zugleich. »Ich glaube an die heilige Vereinigung des ALLS«, notiert der Komponist 1968 und erklärt zwanzig Jahre später: »Ich bin auf Sirius ausgebildet worden und will dort auch wieder hin, obwohl ich derzeit noch in Kürten bei Köln wohne. Auf Sirius ist es sehr geistig. Zwischen Konzeption und Realisation vergeht fast keine Zeit. Was man hier als Publikum kennt, passive Beisitzer, gibt es dort gar nicht. Da ist jeder kreativ.«
Das einzigartig hell funkelnde Himmelsobjekt Sirius im Sternbild »Großer Hund« fasziniert die Menschen schon seit Jahrtausenden und spielt in vielen Mythen und Religionen eine wichtige Rolle: als Ort der Sehnsucht, des besseren Lebens, der nächsten Nähe zu Gott, zu den Göttern. Für Stockhausen, der seine Klangproduktionen stets als geistig-geistliche versteht, ist Musik das »schnelle Flugschiff zum Göttlichen«. Und ein solches Gefährt lässt sich wohl am besten beschleunigen, wenn dessen Töne und Rhythmen im Einklang mit dem Kosmos schwingen, wenn sie navigiert werden durch die Konstellationen und Bewegungen der Gestirne. In etlichen seiner Werke greift Karlheinz Stockhausen Phänomene am (Nacht-)Himmel auf und transformiert sie in Musik.
So komponiert er in den 1970er Jahren Melodien anhand der zwölf Sternzeichen des Tierkreises, etwa zu den astronomischen und astrologischen Sternbildern des Wassermanns, der Fische und des Skorpions. Stücke wie »Musik im Bauch«, »Sirius« oder der in verschiedenen Versionen aufführbare »TIERKREIS« sind einige Resultate seiner »Zodiak«-Erkundungen, die ihn bereits in den 1960er Jahren in den Weltraum geführt haben. Zumindest konzeptuell. So heißt es in der Textkomposition »Aus den sieben Tagen« (Mai 1968), die die Interpreten zu einer intuitiven, improvisatorischen Musik lenken mögen, mehrfach: »Spiele eine Schwingung im Rhythmus des Universums«. Und für die weiträumige Parkmusik »Sternklang« (1971) sind es viele Sternbilder, die ihm die nötigen Informationen für die Entwicklung der musikalischen Details liefern. Manche davon können die Musiker bei der Aufführung auch direkt vom Firmament ablesen, wenn ein klarer Himmel den Blick auf das Funkeln der Sterne erlaubt.
Diese Werke, wie auch das ausgedehnte Gebetsritual »INORI« (1973/74) – All und Anrufung sind in Stockhausens Denken eins –, führen ihn 1977 zur Komposition des siebenteiligen Opernzyklus »Licht«, an dessen 29 Stunden Musik er fast drei Jahrzehnte arbeitet. Einmal befragt, welche Bibelstelle er am schönsten fände, antwortet Stockhausen:
»›Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis, und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward Abend und Morgen der erste Tag. Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht, und gegen Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre.‹ (1. Mose 1, 3 – 5 und 14) […] nach der ›LICHT‹-Woche möchte ich den ›Tag‹ komponieren: Nacht und Tag, Schatten und Licht. Als kleinem Assistenten des größten Komponisten möge mir das Werk gelingen: So Gott will.«
2004 beendet Stockhausen das universale Projekt und beginnt sogleich mit »Klang – Die 24 Stunden des Tages«. Die 13. Stunde, eine komplexe elektronische Musik, in der sich 24 Klangschichten als Mixtur überlagern – »als hätte ich die Rotationen von 24 Monden oder 24 Planeten zu komponieren« (der Planet Saturn hat zum Beispiel 48 Monde) – nennt er »COSMIC PULSES«. Diese Stunde wie die folgenden – die 21. Stunde namens »Paradies« kann der 2007 gestorbene Komponist noch fertigstellen – handeln vom Universum, von den ersten und den letzten Dingen, von Gott, dem Licht, von der Liebe, vom kosmisch Einen und Ganzen.
