Kritiker gesucht!
Kritiken zum Festival-Abschlusskonzert am 11. Mai 2018 mit dem Ensemble Musikfabrik und Concerto Köln
1. Platz: Text von Felicitas Birckenbach
Instrumente und Epochen im Dialog
Die Brücken führen in Köln nicht nur über den Rhein, sondern verbinden Menschen, Epochen, Instrumente und Bach mit Zimmermann und der Gegenwart. Das Festival ACHT BRÜCKEN | für Köln 2018 hat in vielen, über die ganze Stadt und alle Musikgenres hinweg verteilten Konzerten rund 25.000 Zuhörer erreicht und schloss am 11. Mai mit einem Abend der Kontraste.
Das Ensemble Musikfabrik und das Barockensemble Concerto Köln unter der Leitung von Stefan Asbury kamen zusammen für Werke, die Altes mit Neuem und Soloinstrument mit Ensemble verbinden, darunter zwei Uraufführungen. Zwei Komponisten - J. S. Bach und B. A. Zimmermann, dem ACHT BRÜCKEN das Komponistenportrait dieses Jahres gewidmet hatte - waren präsent, obwohl formal gar nicht auf dem Programm: vor allem für diejenigen, die den erschütternd-großartigen Vorabend erlebt hatten, der von Bachs Kreuzstabkantate zu Zimmermanns ‚ekklesiastischer Aktion‘ führte, die mit dem Zitat des Bach-Chorals „Es ist genug...“ und einem lauten Schlag endet, der noch lange innerlich nachklingt. So begann nun dieser letzte Abend schlüssig mit Bach - und auch hier ging es um die Auseinandersetzung mit existentiellen Themen wie Einsamkeit, Verzweiflung und Tod.
‚Orgia - Irrisorio alito d'aria‘ von Hèctor Parras für modernes Ensemble und Barockorchester verbindet Impressionen von Bachs Johannespassion und Pasolinis Drama ‘Orgia’, das aus der Perspektive eines Verstorbenen berichtet. Hier werden die von Concerto Köln gespielten Fragmente des Eingangschors der Johannespassion bald durchbrochen und überlagert von den extremen Klängen der gegenüber platzierten Instrumente des Ensembles Musikfabrik. In den acht Sätzen beginnt je ein Ensemble, während das jeweils andere kommentierend, variierend, kontrastierend, später einsetzt. In dieser Metamorphose geht das Theaterstück in Musik und die Johannespassion in etwas Neuem auf. Dabei steht der weiche, warme Klang der Barockinstrumente den oft scharf, metallisch klingenden modernen Instrumenten gegenüber, so etwa Holzflöte gegen Piccolo, Cembalo gegen Blechbläser. Mal hört man lyrisch klagende, dann wieder rhythmische Phasen oder ein Stampfen wie von Industriemaschinen. Ein eindrucksvolles Werk, das die Hörer mit einem Ohren betäubenden Crescendo zurück lässt.
Trame XIV von Martin Matalon setzt einen Zyklus für Kammerensemble und verschiedene Soloinstrumente fort und stellt die Klarinette – später auch den Kontrabass – ins Zentrum. In Erinnerung bleiben die Freude am Geräusch, am virtuosen Spiel mit Ton, Tempo, Atem und Luft - und der dynamische, jazzige Rhythmus, der vor allem von Bass und Blechbläsern getrieben wird. Am Ende lässt der Klarinettist Carl Rosman, dem das Werk gewidmet ist, die Töne seines Instruments immer höher und höher steigen, während der Bass die unterste Saite so weit wie irgend möglich nach unten stimmt - eine Brücke von der Tiefe in die Höhe.
Das 2006 entstandene 'Semplice' von Martin Smolka setzt mit seiner meditativen Atmosphäre einen Kontrapunkt und lässt wiederum alte und neue Instrumente, traditionelle und ungewöhnliche Spieltechniken und Klangquellen aufeinandertreffen. Man verfolgt, wie im Hoquetus immer wieder verschiedene Instrumente - Cembalo, Laute, Gong, Naturhorn, Streicher, Schlagwerk, Flöten, Klavier - dem jeweils alten oder jungen Gegenüber denselben Ton zurufen: von links nach rechts, von hinten nach vorn - um dann, den Bühnenraum nutzend, zu antworten und sich zu verbinden. Passagen mit weichem, filigran schwebendem Klang, der an Arvo Pärt denken lässt, wechseln sich ab mit Phasen, die an Minimal Music erinnern, gefolgt von Eindrücken feiner Flageolett-Töne, dem Klang einer Glasharmonika, oder Naturklängen von Wasserfall, Glocke und Vogelstimmen der Flöte – und von Stille.
Solche Musik, diese konzentrierte Interaktion aller Musiker miteinander, muss man nicht nur hören, sondern auch sehen, erleben und entdecken. Und dem entspricht dann die konzentrierte Spannung, mit der das Publikum den Abend verfolgte, darunter viele junge Menschen vom Projekt ‚Response‘. Dann begeisterter Beifall für die großartigen Musiker. Den inneren Frieden, den Zimmermann an seinem Lebensende nur im Freitod fand, schaffte das Festival mit diesem versöhnlichen Abschluss.
(Felicitas Birckenbach, Mai 2018)